Der Aufstieg des Tees zum Intellektuellentrank

7. bis 10. Jh.

Die Tang-Dynastie (618 - 907) war nicht nur das Goldene Zeitalter der chinesischen Kultur - galt die damalige Hauptstadt Chang’an (Heute: Xi’an) doch als die Kultur-Hauptstadt des ganzen ostasiatischen Raums - sie galt auch als die Entstehungszeit der Teekultur in China. Dazu haben zwei wichtige Ereignisse beigetragen. Beide haben mit der Person Lu Yu zu tun
Die rote Linie zeigt die Ausdehnung der Sui-Dynastie (541 - 618). Die gelbe Farbe zeichnet die Expansion des chinesischen Reichs in der Tang-Dynastie (618 - 907)

Das Klassische Buch über Tee (Cha Jing) von Lu Yu


Das "klassische Buch über den Tee"
Das Buch von Lu Yu ist die erste fachliche Abhandlung über den Tee überhaupt. Es ist
Lu Yu
in 10 Kapitel unterteilt und behandelt unter anderem Themen wie Ursprung der Teepflanze, Herstellungsverfahren, Methoden und Utensilien zum Teekochen und Anbau-Gebiete. Es enthält außerdem eine fast komplette Sammlung von historischen Texten, die sich mit Tee beschäftigen.

Lu Yu (er lebte 733-804) wurde im Alter von 3 Jahren, von seinen (unbekannten) Eltern ausgesetzt, von einem buddhistischen Mönch unter einer Brücke gefunden und ins Kloster aufgenommen. Dort machte er die erste Bekanntschaft mit dem Tee. Im Alter von 12 Jahren flüchtete er aus dem Kloster und verdiente sich sein Leben als Komödiant. Später lernte er einige Literaten-Freunde kennen und fing an, Forschungen über den Tee anzustellen. Um 764 fertigte er die erste Version seines Buchs über Tee an. Nach mehreren Überarbeitungen wurde das Buch im Jahre 780 aufgelegt.

Das Schriftzeichen für Tee: (wird wie "tscha" gesprochen)

Vor der Tang-Zeit gab es in der chinesischen Sprache  verschiedene Schriftzeichen für den Begriff "Tee". Das am häufigsten verwendete Zeichen war "tu" (siehe Abb. 2). Allerdings war "tu" eigentlich die Bezeichnung eines bitter schmeckenden Gemüses. Wegen der Ähnlichkeit in dem bitteren Geschmack wurde es auch für Tee verwendet. Später tauchte eine Variation des Schriftzeichens "tu" auf: ein Strich wurde aus dem Zeichen weggelassen. Diese Variation wurde in manchen inoffiziellen Texten anstelle von "tu" verwendet, wenn Tee gemeint war. Als Lu Yu sein Buch schrieb, wählte er diese Variation als die Bezeichnung sowohl für die Teepflanze als auch für den Tee selbst. Das Buch von Lu Yu erreichte einen so großen Einfluss zu seiner Zeit und danach, dass auch seine Schreibweise allgemein akzeptiert wurde.
Eine Kalligraphie mit 108 verschiedenen Schreibweisen für Cha (Tee)
Die Bedeutung des Buchs von Lu Yu reicht also weit über seinen wissenschaftlichen Wert hinaus. Das Buch gab dem Teetrinken eine kulturelle Aura:  Auch wenn schon lange vor Lu Yu Tee getrunken wurde, entdeckte man doch erst jetzt die Ästhetik des Teetrinkens. Lu Yu gab nicht nur Auskunft darüber, aus welchen Anbauregionen die besten Tees kamen, wo man das beste Wasser zum Teekochen fand und wie man das Wasser kochen sollte. Er machte sich auch Gedanken darüber, welche Farbe der Teeschale am besten mit der Farbe des Tee-Aufgusses harmonisierte. Das Buch von Lu Yu hat den Tee bei den chinesischen Intellektuellen sehr beliebt gemacht.

Der Buddhismus und der Tee

Das Buch von Lu Yu war aber nur einer der Gründe, warum der Tee gerade in der Tang-Zeit unter den Literaten so populär wurde. Die Entstehung der Teekultur in China ging eng mit der Verbreitung des Buddhismus in China einher. Der Buddhismus kam bereits im 2. oder 3. Jh. nach China. Aber erst die Reichseinigung mit der nie da gewesenen Ausdehnung und die florierende Wirtschaft der Tang-Zeit ermöglichte die schnelle Verbreitung des Buddhismus in ganz China. Der Kaiserhof erhob den Buddhismus sogar zur Staatsreligion. Die Zahl der Klöster und Mönche nahm explosionsartig zu. Der herbe Geschmack des einfachen Tees verkörperte das schlichte, bescheidene Leben der Mönche im Kloster geradezu ideal, weshalb die Mönche die Hauptverbraucher des Tees in der Tang-Zeit waren. Das gemeinsame Teetrinken war ein fester Bestandteil des Klosterlebens der Mönche. Für die Mönche war der Tee außerdem ein bewährtes Mittel zur inneren Sammlung und geistigen Stimulans während stundenlanger Meditationssitzungen: Der Tee hielt sie nämlich beim Meditieren wach.
Die größte Skulptur in den Longmen-Grotten (Weltkulturerbe, Westchina), Grand Vairocana Buddha, Anfang der Tang-Dynastie vollendet, ist 17,14 m hoch.
Viele bekannte Literaten der Tang-Zeit standen dem sehr spirituellen Zen-Buddhismus, die in China praktizierte Form des Buddhismus, sehr nah, weshalb sie sehr bereitwillig das Teetrinken als einen schönen Lebensstil von den Buddhisten übernahmen. Lu Yu, Autor des berühmten Buchs über Tee, wuchs z.B. als ein Waisenkind bei einem buddhistischen Lehrmeister auf und lebte später zurückgezogen in einem buddhistischen Kloster, um an seinem Buch zu arbeiten.

Der Wirtschaftsfaktor Tee

Mit der schnell wachsenden Zahl an Teetrinkern wuchs auch die Tee-Wirtschaft im hohen Tempo. Teeplantagen gab es im ganzen Einzugsgebiet des Yangtse-Flusses. Es gab einige berühmte Anbaugebiete, vor allem in Regionen der heutigen Provinzen Zhejiang
und Jiangsu.
Der um 610 vollendete "Kaiser-Kanal" verband den Jangtse-Fluss und den Gelben Fluss, wodurch der Tee aus den Anbaugebieten in Zhejiang und Jiangsu schnell zum kaiserlichen Hof in Chang’an (Heute: Xi'an), die am Gelben Fluss lag, gelangen konnte. Der Südwesten Chinas hatte zu dieser Zeit bereits seine Bedeutung als Zentrum der Tee-Wirtschaft verloren, wohl auch wegen der sehr schwierigen Verkehrsanbindung. Auch das Klima hatte der schnellen Verbreitung der Teeplantagen geholfen: die Tang-Zeit war eine der wärmsten Perioden der chinesischen Geschichte, wodurch die Teepflanze auch nördlich des Jangtse-Flusses angebaut werden konnte. Der Tee-Anbau erreichte ein so großes Ausmaß, dass der Kaiser eine Steuer auf den Anbau der Teepflanze erhob, um die Staatskasse zu sanieren.
Die Verarbeitung des Tees blieb beim gepressten Teekuchen. Die Technik wurde allerdings verfeinert: die frischen Blätter wurden gedämpft, ihr Saft wurde herausgepresst, anschließend wurden die Blätter noch in einem Ofen getrocknet und zum Teekuchen geformt.
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